«Covid stoppe, Velowäg poppe»

Die Graswurzelbewegung «Velo Mänsche Züri» fordert von der Stadt Pop-up-Radwege als Reaktion auf das veränderte Mobilitätsverhalten in der Zeit der Corona-Pandemie.

 

Roxane Steiger

Während Zürich vergangenes Wochenende unter dem Schnee versank, versammelten sich am Abend des 15. Januars zehn Menschen der jungen Graswurzelbewegung «Velo-Mänsche Züri» zu einer bewilligten Corona-konformen Protestaktion am Werdmühleplatz. Ihre Forderung: die Einrichtung von Pop-up-Radwegen, um gegen die Corona-Pandemie anzukämpfen. Dazu radelte die kleine aber feine Truppe, mit selbst besprayten Demoschildern und Transpis, Lichterketten und Megafon ausgerüstet, eine 23 km lange Strecke auf den vereisten Strassen durch die Stadt und wurde vom Strassenrand und Balkonen durch UnterstützerInnen angefeuert.

 

Verändertes Mobilitätsverhalten
«Wir sind Menschen, die gerne in Zürich Fahrrad fahren. Bei der ersten Corona-Welle haben wir beobachtet, dass andere Weltstädte wie Paris, Genf oder Bogotá innert kurzer Zeit, als Reaktion auf den Fahrrad-Boom, Pop-up-Radwege umgesetzt haben», erzählt der Mitinitiant Lukas Bühler. Dabei handelt es sich um kurzfristig eingerichtete Radwege, die bei plötzlich veränderten Rahmenbedingungen im Strassenverkehr mehr Platz und Sicherheit für den Radverkehr schaffen sollen. Ausgangslage für die Protestaktionen der «Velo Mänsche Züri» bildeten unter anderem zwei folgenlose politische Vorstösse zum Ausbau der Fahrradinfrastruktur vor der zweiten Corona-Welle.

Lukas Bühler verweist auf einen offenen Brief vom letzten Mai der SP Stadt Zürich mit 1400 Unterschriften, der die Stadträtin und Vorstehende des Sicherheitsdepartements Karin Rykart dazu auffordert, den neuen Stellenwert des Velos anzuerkennen und als Sofortmassnahme Autospuren auf kommunalen Strassen zu Velospuren umzumarkieren. Des Weiteren reichten Urs Riklin (Grüne) und Simone Brander (SP) im Gemeinderat letzten Juni diesbezüglich eine Schriftliche Anfrage ein. Sie machen darin darauf aufmerksam, dass der Auto- und öffentliche Verkehr während der ausserordentlichen Lage stark abgenommen hat. Dementgegen sind Menschen vermehrt auf das Fahrrad umgestiegen. «Diese Veränderungen im Mobilitätsverhalten haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Menschen, auf die Umwelt und auch auf die Lebensqualität», verdeutlichen sie in ihrer Anfrage an den Stadtrat. Nach der ausserordentlichen Lage sei eine Abnahme der Fahrgastzahlen im öV, aber eine starke Zunahme des motorisierten Individualverkehrs zu erwarten. Unter den aktuellen Verkehrsbedingungen für VelofahrerInnen sei zu befürchten, dass der Trend zu einem nachhaltigen und gesundheitsfördernden Mobilitätsverhalten dadurch stark abgebremst wird. Dies könne durch die schnelle Bereitstellung neuer Infrastruktur verhindert werden. Der Stadtrat sieht in seiner Antwort von solchen Sofortmassnahmen ab. Permanente Massnahmen seien in diesem Fall besser geeignet, um die «Anforderungen bezüglich Verkehrssicherheit» zu erfüllen, und man wolle verhindern, kurzfristig etwas aufzusetzen, um es dann wieder abreissen zu müssen.

 

Linke Opposition gegen linke Velopolitik
Seit der zweiten Corona-Welle macht «Velo Mänsche Züri» mit wiederholten Protestaktionen Druck auf die Stadt. Sie fordern einen temporären Ausbau der Velo-Infrastruktur, der den öV entlastet und so Ansteckungen mit dem Corona-Virus verhindert. Der Ausbau beinhaltet rasch eingerichtete Radwege, die mit provisorischen Installationen und Markierungen vom übrigen Verkehr abgetrennt sind und zulasten von Autospuren oder Parkplatzreihen angelegt werden. So wollen sie auch die Verkehrssicherheit für Fahrradfahrende fördern: «Mit dem grossen Velo-Boom kommen viele ungeübte FahrerInnen auf die Strasse. Für diese braucht es speziell sichere Fahrradwege und nicht einfach nur einen Seitenstreifen. Im Frühling, wenn die Leute vermehrt mit dem Fahrrad unterwegs sind, muss Zürich bereit sein.»

Bislang hat die Stadtregierung nicht auf diese Anliegen reagiert und verbleibt auf dem Aspekt der Langfristigkeit, der in ihren Augen nicht mit dem Konzept von Pop-up-Radwegen vereinbar ist. Auch wenn der Stadtrat in der Stellungnahme zur Schriftlichen Anfrage den Veloverkehr als dringliches Anliegen erklärt und sich für die Veränderungen im Mobilitätsverhalten ausspricht, beurteilt er den temporären Ausbau der Veloinfrastruktur als nicht zielführend. Damit stösst er bei den DemonstrantInnen weitgehend auf Unverständnis.

«Die ganze Situation ist ein wenig skurril», konstatiert Lukas Bühler, «wir haben seit 30 Jahren eine links-grüne Dominanz, die es nicht geschafft hat, das Lieblings-Fortbewegungsmittel der links-grünen Allianz in den Alltag der BürgerInnen zu integrieren. Die Stadt Zürich ist auf dem Platz 32 der velofreundlichsten Städte der Schweiz. Ich verstehe nicht, weshalb es zehn Jahre gehen soll, bis die Velorouteninitiative umgesetzt wird. Das ist wie linke Opposition gegen linke Velopolitik.» Er bringt zum Ausdruck, dass sich viele Menschen aus der Zürcher Velo-Community von den RepräsentantInnen, die sie gewählt haben, im Stich gelassen fühlen. Zu beobachten sei zudem ein Konflikt zwischen dem Kanton und der Stadt, wie bei der Sanierung der Bellerivestrasse. «Die Stadt zeigt den Mut nicht, diese Konflikte auszuhandeln», kritisiert Lukas Bühler und verlangt ein selbstbewussteres Auftreten der Stadtregierung.

«Zurzeit beziehen sich unsere Aktionen und Forderungen auf die Pop-up-Wege aufgrund der Pandemie. Doch eigentlich geht es langfristig darum, dass Zürich zu einer kreativen Velostadt wird», schildert Lukas Bühler. «Wir haben Lust rauszugehen, die Strassen zu fluten, nicht kommerziell und kreativ draussen miteinander unterwegs zu sein».

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